Freie Wähler, SPD und Grüne schmieden Bündnis zur Postenverteilung
„Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass die stärkste Fraktion in einem Parlament in der Regel auch den Vorsitz stellt“, erläutert die CDU-Fraktionsvorsitzende Ursula Cornelius die Hintergründe, des aus ihrer Sicht „Wortbruch-Fehlstarts“ der Freien Wähler in die neue Wahlperiode in Bürstadt.
Die neue Kraft sei im Wahlkampf angetreten, um „dem Bürgerwillen mehr Respekt“ zu verschaffen. Jetzt würde mit vereinten Kräften die CDU, die als mit Abstand stärkste Fraktion knapp 37 Prozent der Wählerschaft vertritt, regelrecht „abgestraft“ und der Wählerwille würde ignoriert. Diese Machtdemonstration der Freien Wähler, die mit 22 Prozent als zweitstärkste Kraft aus dem Urnengang am 14. März hervorgingen, passe nicht zu dem von FW-Frontmann Torsten Pfeil verkündeten Credo einer „neuen politischen Kultur“ und dem angekündigten „Wettbewerb der besten Ideen durch wechselnde Mehrheiten“.
Tatsächlich verhelfen die Freien Wähle mit einem Listenbündnis dem eigentlichen Wahlverlierer SPD zur Position des Stadtverordnetenvorstehers und Ersten Stadtrats. Auch dieses Vorgehen findet Ursula Cornelius zumindest „erklärungsbedürftig“, denn die SPD habe unter der Führung von Franz Siegl mit einem Stimmenverlust von 11,8 Prozent mehr als ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren und sei auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 18,6 Prozent abgesunken. „Gerade diese Form der Oppositionsarbeit wurde von den Wählerinnen und Wählern nicht belohnt“, ärgert sich Cornelius auch darüber, dass die Fraktion der Grünen diesen „machtpolitischen Kuhhandel“ mittragen.
Die CDU habe in den Sondierungsgesprächen allen Fraktionen einen ausgewogenen Vorschlag präsentiert. Als größte Fraktion wollten die Christdemokraten gerne einen ihrer bisherigen Posten behalten und anerkannten, dass einer der Mitbewerber dann das zweite politische Spitzenamt übernimmt. Für die Union war auch klar, dass in der neuen Wahlperiode alle Fraktionen Ausschussvorsitze stellen und die FDP in allen Gremien mit Sitz und Stimmrecht vertreten sein sollte. Auch dem Wunsch der Grünen nach zwei Sitzen in den Gremien wollte man bei einer anstehenden Vergrößerung entsprechen. Als logische Ableitung sollten deshalb nach dem Vorschlag der Christdemokraten die bislang 9 Plätze im Ausschuss auf künftig 11-Mitglieder vergrößert werden.
Dass es jetzt ein Bündnis aus FW, SPD und Grünen für eine Ausschussgröße von 10 Personen gibt, verdeutliche ganz offenkundig, worum es dem neuen Bündnis gehe: „Die CDU wird konsequent benachteiligt und soll aus allen Führungspositionen abgelöst werden“, bringt es die Parteivorsitzende Julia Kilian-Engert auf den Punkt. Dabei sei es doch gerade bei einer Gremiengröße von 10 Personen sofort ersichtlich, dass nach Adam Riese und dessen mathematischen Rundungsregeln, eher die CDU mit ihren knapp 37 Prozent Anspruch auf einen vierten Platz hätte, als die Grünen mit ihren 14,8 Prozent auf einen zweiten Sitz.
Dass die Freien Wähler im Pakt mit SPD und Grünen zur Postenverteilung ein Bündnis zu ihren Gunsten schmieden, sei im politischen Geschäft „grundsätzlich nicht zu beanstanden“, kennt auch CDU-Spitzenkandidat Jürgen Eberle die „Regeln der Macht“. Allerdings sei den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl etwas anders versprochen worden. Die von den Freien Wählern eingeforderten Werte wie „Fairness, Respekt und Umgang auf Augenhöhe“ werden deshalb gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode mit Füßen getreten.
Ähnlich ignorant gegenüber agieren die Freien Wähler bei der Konstituierung des Ortsbeirats in Bobstadt. Auch bei dieser Wahl ist die CDU stärkste politische Kraft geworden und liegt an Wählerstimmen knapp vor den Freien Wählern. Die mit Abstand größte Zustimmung hat mit 707 Einzelstimmen die CDU-Kandidatin Ursula Cornelius erhalten. Dessen ungeachtet reklamieren die Freien Wähler die Position des Ortsvorstehers bzw. der Ortsvorsteherin geradezu wie selbstverständlich für sich.
Bedauerlicherweise werden bei der jetzt anstehenden Wahl des Stadtverordnetenvorstehers die bisherigen Gepflogenheiten zum Nachteil der CDU ignoriert. Chefgenosse Franz Siegl, der als SPD-Spitzenkandidat mit seiner Partei 11,8 Prozent – das sind 15.322 Stimmen – verloren hat (zum Vergleich: die CDU hat 4.243 Stimmen verloren) ist von Freien Wählern, SPD und Grünen als gemeinsamer Kandidat für das Amt des Parlamentsvorsitzenden vorgesehen.
Dabei repräsentiert die SPD mit ihren sechs Sitzen nur noch 18,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Franz Siegl habe auch bei dem persönlichen Einzelergebnis seinen ersten Platz auf der SPD-Liste verloren und mit 2.551 Einzelstimmen weit weniger Zustimmung aus der Bevölkerung erhalten als zahlreiche Kandidatinnen und Kandidaten aus anderen Parteien. „Wenn das nichts mehr zählt, dann können wir das Kumulieren und Panaschieren gleich wieder abschaffen“, so Julia Kilian-Engert in der Stellungnahme der Christdemokraten.
Jke 04/2021